"Herzscheiße"

"Geh weg mit deiner Herzscheiße",
singt Funny van Dannen in seinem gleichnamigen Album und zitiert ein Pärchen, das sich vor einer Kneipe streitet. Zur Titelfindung hätte er aber auch genauso gut in einschlägigen Deko-Geschäften drei Wochen vor Valentinstag unterwegs gewesen sein können, denn: Es kunstblumt und plüscht wieder in den Regalen!
In lüsterne Bordellrot strahlt sie uns entgegen- die Fretze des Valentinstag.
Einzigartige Geschenkideen (rotes Plüschherz), unübertreffliche Dekadenz (Sprungteufelherz, das beim Öffnen der Box "I love you" krächzt) und ganz besonders persönliche Wertshätzungen (Toilettenpapier mit Herzmotiven, Nudeln in Penisform) laden zum Konsumexzess ein.
Die Ernüchterung kommt spätestens beim Alltagsgebrauch der Gegenstände, wenn Schlüsselanhänger mit "Kiss me"-Aufdruck den schlechten Geschmack des Trägers und Schenker geleichermaßen outen outen oder rosa geringelte Sektgläser die WG-Mitbewohner zum Abwaschstreik veranlassen.
Was soll bloß alljährlich dieser ganze krampfhafter Schund?
Er macht blind durch Hässlichkeit, staubt nur ein, weckt Mitleid, man kann ihn meist nicht essen, nicht anziehen, nicht weiterverschenken-und nicht einmal in den üll werfen: denn spätestens auf dem Weg zum Container reißt die Mülltüte unter der Last des Kitsches und man ist vor der Nachbarschaft als undankbares, herzloses Monster bloßgestellt.
Genauso ermüdend ist die Frage nach einer Party an diesem speziellen Abend, gerade dann, wenn man nicht zum Kreise der Verliebten zählt und sich nicht auf einer peinlichen Singleparty mit Namensanstecker wiederfinden will. Auch der fünfte Gang zum Briefkasten am Valentinstag steigert die Laune nicht: immer noch kein Liebesbrief in der Postbox und auch sonst weder Ablenkung in Form eines Srippers oder Prinzen it Pferd in Sicht.
Doch Moment, was ist da bloß los in der Mädels-WG von gegenüber, in der dezente Rauchschwaden unter dem Türspalt hervorqualmen und sich der Duft von leicht angebrannter Schokolade im Hausflur mit dem Biergestank der letzten Party vermischt?
In Kuschelsocken auf Polstermöbeln sitzend und mit tränenfeuchten Augen auf Robert Pattinson schauend haben sie sich dort zu Dutzenden eingefunden: die Singlemädels der Nachbarschaft bei einem DVD-Abend zur gemeinsamen Romantikdefizitbekämpung! Kram gekauft habe sie für den Anlass natürlich trotzdem. Ein Schokoladenfondue blubbert auf dem Tisch und soll den Frust über die gesellschaftliche Randexistenz eines Singles in klebrig-süßer Masse ertränken, lieterweise Prosseco die Einsamkeit davonspülen. Und wenn die echte Leidenschaft schon nicht brennt, so ist es ein Meer aus Duftkerzen und Räucherstäbchen, das die Sinne benebelt und Löcher in den Teppichboden brennt.
Weit nach Mitternacht liegen sie dann da, mit von Schokolade verklebten Mündern und kranken Bäuchen, den Nebenwirkungen des Konsum-,und Alkoholrausches. Wenn Amor, der Arsch, schon nicth anklopft, so pocht wenigstens der Kater ganz zuverlässig am nächsten Morgen gegen die Schläfe.
(Jana Felgenhauer)

schön Valentinstag noch :)

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